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SIFNOS - Die perfekte Kykladeninsel

  1.704 Wörter 6 Minuten 3.619 × gelesen
2018-07-27 2018-07-27 27.07.2018

Wenn man mich nach der perfekten Kykladeninsel fragen würde, dann würde ich vermutlich „Sífnos“ sagen. Aber ich würde es nicht zu laut sagen, denn auch wenn die Griechen Sífnos als Urlaubsinsel längst entdeckt haben, so ist diese Insel unter mitteleuropäischen Urlaubern noch vergleichsweise unbekannt. Und diese Unbekanntheit trägt dazu bei, dass Sífnos noch so eine schöne und unverfälschte Urlaubsinsel geblieben ist.

Was macht nun diese perfekte Mischung aus?

Es gibt auf Sífnos alles, was des Urlaubers Herz begehrt: schöne Sandstrände, malerische weiße Inseldörfer, ausgezeichnete Wandermöglichkeiten, ein gutes Busnetz, eine karge und bergige Landschaft voller überraschender Ausblicke auf unzählige Kapellen, typische Tavernen und nicht zuletzt eine herzliche Gastfreundschaft. Außerdem ist Sífnos keine große Insel, sie misst nur 77 Quadratkilometer, und so sind alle Inselziele in relativ kurzer Zeit zu erreichen. Ein Faktor, der zur Entspannung beiträgt.

Fragt man Griechen (oder vor allem Griechinnen), was sie mit der Insel Sífnos verbinden, so bekommt man als Antwort oft „gute Küche“. Diese für Deutsche zunächst nicht nachvollziehbare Assoziation hat mit Nikos Tselementés zu tun, der 1878 auf Sífnos geboren wurde, in Athen, Paris, Wien und Amerika als Koch arbeitete und in den 1910er-Jahren mit der Kochzeitschrift Οδηγός Μαγειρικής bekannt wurde. 1920 veröffentlichte er das griechische Standard-Kochbuch Οδηγός Μαγειρικής και Ζαχαροπλαστικής, das bis heute in Griechenland quasi die Koch-Bibel ist, und eines der meistverkauften Bücher. „DER Tselementés“, das ist wie „der Duden“. Nur dass die Griechen sich lieber um Genüsse statt um Rechtschreibung scheren.

Sein Einfluss auf die heutige griechische Küche kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, und so empfindet man auf Sífnos noch heute die Verpflichtung, besonders gut zu kochen.

Alljährlich Anfang September findet auf Sífnos ihm zu Ehren ein mehrtägiges gastronomisches Festival statt, natürlich garniert mit Musik und Tanz, wie es sich für eine Kykladeninsel gehört.

Nun ist es bei der großen Auswahl an Restaurants und Tavernen auf Sífnos für den Urlauber nicht ganz einfach, lokale und gute Küche zu finden, und ich möchte da auch keine Empfehlung für ein spezielles Lokal aussprechen. Was man aber unbedingt ausprobieren sollte, das ist die Kichererbsensuppe Revithósoupa. Traditionell wird sie eigentlich nur sonntags serviert (und bei den zahlreichen Panigyria, den Inselfesten, aber dazu kommen wir später), nachdem sie im Ofen des Bäckers über Nacht bei Niedrigtemperatur stundenlang vor sich hin schmorte. In einem großen Keramiktopf, womit wir bei der nächsten sifnischen Spezialität wären: der Töpferware. War Sífnos in der Antike für seine reichen Gold- und Silbervorkommen bekannt, so waren diese später irgendwann erschöpft. Nicht aber der Lehmboden, der Generationen von Töpfern ein ausgezeichnetes Rohmaterial bot, um ihr Handwerk auszuüben.

Mehrere Töpferfamilien stellen bis heute robuste Alltagskeramik her, die durch ihre Schlichtheit und Funktionalität überzeugt, aber auch die dekorativen Kaminabschlüsse, die man auf der Insel überall auf den Hausdächern bewundern kann. Und so manche Touristin hat schon überlegt, wie sie einen der radgroßen Schmortöpfe im Reisegepäck mit in die Heimat nehmen soll. Mit Tassen, Eierbechern oder Auflaufformen geht das zum Glück leichter.

Noch etwas anderes macht Sífnos besonders: Es gibt hier extrem viele Kapellen und Kirchen. Für jeden Tag im Jahr soll es eine sein, und wenn man auf der Insel unterwegs ist, dann glaubt man das leicht. Es ist nahezu unmöglich, nicht ständig mindestens ein Gotteshaus im Blickfeld zu haben, auch wenn eine Zählung ergeben haben soll, dass es lediglich 237 Kirchen sind ...

In diesen Kirchen und Kapellen werden nun oft und gerne die Feste der Heiligen, sogenannte „Panigýria“ (πανηγύρια), zu deren Namenstagen gefeiert. Ausgerichtet wird das Fest jeweils von einer Familie, die für ein Jahr die Schutzherrschaft für die besagte Kapelle und Ikone übernimmt. Nach dem Gottesdienst gibt es oft auch etwas zu essen, wobei die Speisung hier nicht im Freien auf dem Platz vor der Kirche stattfindet, sondern in Gruppen zu zwanzig, dreißig Personen nacheinander im Speisesaal. Natürlich gibt es Revithósoupa, und man muss schnell essen, denn die nächste hungrige Gruppe drängt schon vor der Türe. In seltenen Fällen wird mit Violine und Laoúto zum Tanz aufgespielt.

Eines der größten dieser Inselfeste findet alljährlich um Christi Himmelfahrt / Ανάληψη bei der Kirche Panagía Chrissopigí statt. Diese auf einer vorgelagerten Insel gelegene Kirche ist das Wahrzeichen von Sífnos. Am Vortag des Festes wird die Ikone der Panagia zunächst vom Hauptort der Insel, Apollonía, hinab zum Hafen Kamáres gebracht, wo sie an Bord eines großen Fährschiffes geht.

Das Fährschiff - im Jahr 2017 war es der „Speedrunner III“ - fährt mit der Ikone und dem Pangirás, dem Ausrichter des Festes, sowie einigen Geistlichen auf die andere Inselseite zur Chrissopigi-Kirche, wo die Ikone unter Feuerwerk, Glockenläuten und Schiffshupen von der Gemeinde erwartet wird. Mit einem Kaïki wird sie zur Felseninsel übergesetzt, wo dann hinter der Kirche ein Gottesdienst stattfindet.

Ein Spektakel, das Hunderte von Besuchern, Einheimische ebenso wie Gäste, anzieht. Natürlich gibt es auch hier hinterher etwas zu essen, man muss sich nur etwas gedulden. Und hofft, sich nächstes Jahr, tou chrónou, wiederzusehen.

Sífnos kann auch mit zahlreichen schönen Sandstränden punkten. Besonders geschützt liegt die Bucht von Vathý im Südwesten der Insel. Sehr leicht zu erreichen ist der Sandstrand des Hafenortes Kamáres. Der helle Sandstrand von Platýs Gialós breitet sich fast einen Kilometer lang an der Ostküste aus, während der kleinere Apokofto-Strand mit natürlichem Tamariskenschatten und der traumhaften Kulisse der Panagía Chrissopigí beeindrucken kann. Um nur die wichtigsten Strände zu nennen, denn es gibt auch abgelegene kleine Badeplätze, die teilweise nur zu Fuß oder per Boot erreichbar sind, etwa die Bucht von Fykiáda im äußersten Inselsüden.

Bei Wanderern war Sífnos schon früher sehr geschätzt, da zahlreiche der alten Monopátia noch gut erhalten sind und sich die Insel zu Fuß und mit den guten Busverbindungen hervorragend erkunden lässt. Seit kurzem existiert nun die „Sífnos Trails“, eine Initiative, die zehn Wanderwege, teilweise mit Varianten, vorbildlich für Wanderer erschlossen hat.

„Sífnos Trails“ besteht nicht nur aus einer mehrsprachigen Website mit Wegen, Beschreibungen der Länge, Dauer und Schwierigkeiten sowie GPS-Daten, sondern kümmert sich auch vor Ort darum, dass die Wege freigeräumt sind. Außerdem sind die Wege an allen wichtigen Kreuzungen ausgezeichnet beschildert und mit Markierungen versehen, wo man sie benötigt. Wer öfters in Griechenland wandert und weiß, wie ermüdend und frustrierend die Wegsuche durch wuchernde Phrygana dort sein kann, weiß so ein Angebot besonders zu schätzen.

Es hat gedauert, bis dieses Projekt umgesetzt werden konnte, und es bedurfte - neben Geld - viel Überzeugungskraft und privater Initiative.

Nicht nur, weil man sich Sífnos erst zu Fuß richtig erschließen kann, bleibt zu hoffen, dass dieses Projekt nachhaltig betrieben wird. Immerhin haben inzwischen auch viele der Alteingesessenen, die dem Projekt zu Anfang kritisch gegenüberstanden, erkannt, dass es gerade in der Vor- und Nachsaison Gäste bringt, die auch gerne wiederkommen.

Aus diesen vielen Wandermöglichkeiten möchte ich eine besonders schöne Wanderung herausgreifen und etwas näher beschreiben. Sie führt auf den höchsten Gipfel von Sífnos, den 682 Meter hohen Profítis Ilías (Sífnos Trail Nr. 6B). Gipfel dieses Namens gibt es mehrere auf Sífnos, etwa den Profítis Ilías Troulakioú, der steil nördlich der Bucht von Kamáres auf 418 Meter emporsteigt und allein wegen seiner überwältigenden Aussicht ebenfalls einen Besuch wert ist, aber nicht in das Wegenetz der Sífnos Trails eingebunden ist.

Zur Unterscheidung wird der höchste Profítis Ilías auch „tou Psiloú“ genannt.

Die Wanderung dorthin beginnt in Apollonía an der Platia Iroon und führt von dort südwärts durch die Hauptgasse, den Stenó, leicht aufsteigend durch den Ort Apollonía, der fast unmerklich in das landwirtschaftlich geprägte Nachbardorf Katavatí übergeht. Die klare, mit Blumen und den typischen Schmuckelementen aus Keramik verzierte Kykladenarchitektur erfreut unterwegs das Auge und zwingt dazu, sich Zeit zu lassen. Rechts von uns ragt der Zielgipfel empor, das breite Klostergebäude darauf ist gut auszumachen.

Von Apollonía bis zum Gipfel beträgt der Höhenunterschied etwa 500 Meter, in einer Richtung ist der Weg für den geübten Wanderer in zwei Stunden gut zu bewältigen, der Abstieg geht etwas schneller, es gibt also keinen Grund zur Eile, denn an einem Tag ist das gut zu schaffen.

Am Kloster Fyrógia verlässt man die besiedelte Gegend, der Weg führt westwärts über ein mit Kapellen gesprenkeltes Hochtal zum Fuße des Profítis Ilías. Dort beginnt ein langer, über weite Teile mit Stufen versehener Weg, der mit gleichmäßig steigender Höhe eine tolle Aussicht auf das Hochtal und den gegenüberliegenden Berg mit der Kapelle Agios Andréas freigibt.

Unser Ziel, das Gipfelkloster des Profítis Ilías entschwindet dafür gelegentlich unseren Blicken, um sich nach der nächsten Kurve umso näher und imposanter zu zeigen. Da fällt das Steigen leicht, auch wenn der Weg schlechter wird.

Das letzte Stück ist dann besonders steil, und unvermittelt erfasst einen auf dem Sattel vor dem Kloster der starke Wind. Die breite Front des festungsartigen Klosters ist weiß getüncht, darüber schaut die Kuppel der Kirche heraus. Das Mönchskloster des Profítis Ilías stammt vermutlich aus dem 12. Jahrhundert und wird seit 1890 nicht mehr bewirtschaftet.

Der Wanderer findet das Tor unverschlossen, ebenso die kleine Kirche im Innenhof, deren Natursteinmauern mit weißen Linien verziert sind und an ein Lebkuchenhaus erinnern. Die farbenfrohe Ikonostase scheint neueren Datums zu sein.

Streicht man neugierig über das Klostergelände, so findet man den Speisesaal mit der Küche geöffnet und in einem Schrank dort das gastfreundliche Angebot, sich mit den vorhandenen Zutaten selbst einen Kaffee zuzubereiten. Dazu vielleicht noch einen Ouzo oder eine Tütensuppe für den erschöpften Gipfelstürmer, dessen Kräfte aber schon bei der hinreißenden Aussicht von den Klostermauern wiederkehren. Vorausgesetzt, er hat eine warme Jacke gegen den starken Wind bei sich, und der Gipfel hängt gerade nicht in sichtversperrenden Wolken.

Ist dies nicht der Fall, so bietet sich ein Panorama von den jenseits der Kamáres-Bucht liegenden Gipfeln Profítis Ilías Troulakioú und Agios Simeón über die Agglomeration Artémonas-Petáli-Apollonía bis zum Hügel mit der früheren Inselhauptstadt Kástro mit ihrer kykladentypischen Wehrarchitektur. Im Westen soll man an klaren Wintertagen sogar das Taygetos-Gebirge auf der Peloponnes sehen können.

Der Abstieg erfolgt auf dem gleichen Weg, und wer noch überschüssige Kräfte hat, kann jenseits des Hochtales zur Kapelle und Ausgrabung Agios Andréas hochwandern. Dort liegen sehr gut erhaltene Fundamente einer mykenischen Akropolis an einem steilen Hang, und ein kleines Museum präsentiert die Fundstücke mit umfassenden Erläuterungen.

Flankiert wird das Ganze von der schneeweißen Kapelle des heiligen Andreas, auf deren Nebengebäude drei tönerne Töpfe als Verzierung prangen.
Wir sind eben auf Sífnos, falls wir das vergessen hatten. Der perfekten Kykladeninsel.
Aber psst - nicht weitersagen! 

Website Sífnostrail: www.Sífnostrails.com
Website Nissomanie mit mehr über Sífnos: www.nissomanie.de